A-u-S-Rat übernimmt am 9. November in Chemnitz die Macht

„Aufruf des Arbeiter- und Soldatenrates Chemnitz vom 9. November 1918, in dem die Übergabe der politischen Macht bekanntgegeben wurde

Der unterzeichnete Rat der Arbeiter und Soldaten in Chemnitz hat heute Nacht die militärische und politische Macht in die Hände genommen, wie das schon in den ausschlaggebenden Bezirken Deutschlands geschehen ist.
Der Rat der Arbeiter und Soldaten garantiert die Aufrechterhaltung der Ordnung und der öffentlichen Sicherheit. Arbeitseinstellungen dürfen nur auf Befehl des Arbeiter- und Soldatenrates stattfinden. Jeder gehe darum an seine Arbeitsstätte, bis er einen anderen Auftrag erhält. Der Verkehr und alle amtliche Tätigkeit muß bis zum Gegenbefehl des Arbeiter- und Soldatenrates aufrechterhalten werden.
Wer seinen Posten ohne Erlaubnis verläßt, wird unnachsichtig zur Rechenschaft gezogen, ebenso jeder Beamte, der Sabotage versucht oder durch Nachlässigkeiten im Dienste dem öffentlichen Wohl Schaden zufügt. Die militärische Kommandogewalt wird vom Arbeiter- und Soldatenrat ausgeübt. Allen von ihm nicht eingesetzten oder anerkannten Instanzen ist jeder Gehorsam zu verweigern. Für die Ernährung der Bevölkerung wird der Arbeiter- und Soldatenrat die Schritte einleiten, die notwendig sind, um keinerlei Stockung in der Zufuhr von Nahrungsmitteln eintreten zu lassen. Jeder sei darum ohne Sorge.
Heute Mittag 12 Uhr finden im Zentraltheater, im Kaufmännischen Vereinshaus und im Neuen Stadttheater Versammlungen der Arbeiter und Soldaten statt, in denen über die Lage Bericht erstattet wird. Der provisorische Arbeiter- und Soldatenrat wird sich in diesen Versammlungen bestätigen und zur Vornahme aller notwendigen Handlungen bevollmächtigen lassen.
Die Übernahme der Geschäfte durch einen definitiven Arbeiterrat wird nach dessen Wahl erfolgen. Diese Wahl wird im Laufe der nächsten Woche stattfinden. Stimmberechtigt sind alle Chemnitzer beiderlei Geschlechts, die das 18. Jahr vollendet oder Heeresdienst getan haben.
Das Ziel aller Arbeiter- und Soldatenräte Deutschlands ist die Errichtung der sozialistischen deutschen Republik!
Hoch die brüderliche Gemeinschaft der Soldaten und Arbeiter! Hoch die revolutionäre Disziplin!
Es lebe die Weltrevolution! Es lebe der völkerbefreiende Sozialismus! Es lebe der Frieden!

Der Rat der Arbeiter und Soldaten im Industriebezirk Chemnitz
Fritz Heckert  Max Müller  Gefreiter Max Stein
Vorsitzende mit gleichen Rechten

Beyer Beckert Matrose Günther
Franz Berner Gefreiter Jahn
Gubisch Gubisch Gefreiter Jentsch
Kliem Fellisch Soldat Möckel
Kühn Friedel Gefreiter Rehm
Melzer Kranold Gefreiter Schmidt
Michael Krause Soldat Schmidt
Schulze Landgraf Soldat Schubert
Vettermann       Schönberger       Sergeant Thümmler“

Quelle:  „Chemnitzer Tageblatt“ Nr. 311 vom 9. November 1918

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