Waffen beschaffen

In der Gruppe Kelmer waren wir jetzt sechs Deserteure, alles trotzige, zu allen bereite Burschen. Wenn es dunkel war, klebten wir Flugblätter. Als wir in der Nacht vom 30. zum 31. Oktober von zwei Schutzmännern gestellt wurden, gingen die Pickelhauben zu Boden, ihre Säbel zu Bruch, und ihre Revolver samt Munition wechselten den Besitzer. Am 31. Oktober war im ganzen Stadtteil die Polizei auf den Beinen und fahndete nach den Attentätern…
Der Novemberwind wehte kalt durch die Straßen. Das schlecht ernährte und gekleidete Volk Berlins fror in den Regenschauern. Aber es war unsere Zeit: Nacht für Nacht waren wir unterwegs. Bis zum 5. November ballerte die Polizei nachts nach allen Schatten. Besonders an und in der Hasenheide war es nicht recht geheuer. Neun Polizisten wurden doch ihre Waffe los. Wir waren der Polizeischreck von Neukölln. Revolver samt Koppel konnten wir gut gebrauchen. Unsere Kampftruppe zählte sechzehn Mann. Zwei Gewehre mit achtzig Schuß Munition und neunzehn Armeerevolver mit je zehn Schuß konnten wir unser eigen nennen…
In den Arbeiterbezirken hatten sich die Deserteure schon enger aneinandergeschlossen. Was wir an Ausweisen und Lebensmittelkarten brauchten, holten wir durch Vertrauensleute aus der Mühlenstraße. In Neukölln trafen täglich neue Deserteure ein, die mit solchen Sachen ausgerüstet werden mußten.“

Fritz Zikelsky, “Das Gewehr in meiner Hand“ in „Berliner Leben 1914 bis 1918“, Dieter und Ruth Glazer, Berlin 1963

 

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