Maschinengewehre und Feldartillerie – der Schein trügt.

„Es ist am Freitag, dem 8. November, im alten Berliner Westen spätabends. Im Haus Viktoriastraße 1 richten Jäger ihre Maschinengewehre ein. Der Oberkommandant in den Marken hat die Jungens nach Berlin beordert, um die Revolution niederzuknallen. Sie stellen die Feuerbüchsen im Vorgarten auf und schaffen die Munition über den Platz, in dessen Mitte der versteinerte Roland in Ewigkeit strammsteht. Die grauen Munitionskästen haben graue Autos gebracht, deren Chauffeure Zigaretten rauchen und gelassen die Vorgänge betrachten.
Die Jäger unter den Stahlhelmen, die die Knabenhaftigkeit dieser Soldaten noch verdeutlichen, bummeln hin und her zwischen dem Auto und dem Eckhaus, aus dem sie morgen schießen sollen, ein Feldwebel blickt angestrengt in den Himmel und hofft, daß eine Erscheinung seine Zweifel löse …
Die bis an die Zähne bewaffneten Jungens drücken sich durch die Gartenpforte des Hauses Viktoriastraße 1. Sie wollen schlaffen gehen. Sie werden gut schlafen. Noch nie, seitdem sie vom Krieg gehört haben, noch nie waren sie so friedlich, so zufriedenen, so heiteren Gemüts.
„Darf man mit euch reden? Wir möchten wissen, ob ihr morgen schießt.“
„Wir schießen?! Morgen zwischen zwei und drei kommen die Jugendlichen und holen unsere Waffen. Am Abend fahren wir nach Hause.“

„Rene Schickele Der neunte November“ in „Berliner Leben 1914 bis 1918“, Dieter und Ruth Glazer, Berlin 1963

 

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